Warum wir für Stolpersteine sind 7. Dezember 2019 In der letzten Ausgabe des Mitteilungsblattes hat die Gemeinderatsfraktion der Freien Wähler Stellung zu unserem Antrag auf Verlegung von Stolpersteinen genommen. Jede Fraktion hat selbstverständlich das Recht auf ihre Sichtweise der Dinge, aber was hier an Mutmaßungen in den Raum gestellt wurde, kann nicht unkommentiert bleiben. 1. In Halle hat am 9.10.2019, am Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, ein Rechtsextremist versucht, in die Synagoge einzudringen, um dort versammelte Personen zu töten. Als das Vorhaben misslang, erschoss er zwei Personen und verletzte weitere. Am Wochenende 23. und 24. November wurde in Berlin die Ausstellung über Familie Mendelssohn in Berlin verwüstet. Daneben kommt es schon seit Jahren zu Beleidigungen, Körperverletzung, Volksverhetzung gegenüber jüdischen Mitmenschen (siehe: Liste von Anschlägen auf Juden und jüdische Einrichtungen auf Wikipedia). Aktuell Tendenz steigend! Laut einer Studie (Mitte September 2019) hegen 27 Prozent aller Deutschen antisemitische Gedanken. Dabei nehmen auch fast zwei Drittel (65 Prozent) der Deutschen den wachsenden Antisemitismus wahr und bringen diesen mit dem Erfolg rechter Parteien in Verbindung wie in diesem Jahr in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Wir halten es für ganz wichtig, uns hier klar zu positionieren. Gerade jetzt!! 2. In einer Mail hat uns Frau Rita Althausen, 1. Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mannheim, geschrieben: “Es ist gut, dass Sie den Antrag im Ilvesheimer Gemeinderat zur Verlegung der Stolpersteine gestellt haben. Auch wenn einige jüdische Gemeinden Vorbehalte gegenüber den Steinen haben, so machen diese durchaus Sinn, da sie den Passanten vermitteln, wo jüdische Menschen in unmittelbarer Nähe lebten. Die kleinen Steine geben den verfolgten Menschen ihren Namen zurück und dienen als Mahnmal. Die Jüdische Gemeinde Mannheim steht den Stolpersteinen positiv gegenüber, da deutlich bewusst gemacht wird, dass Menschen aus der Mitte der Gesellschaft gerissen wurden.” 3. Bei der letzte Woche stattgefundenen Jugendvertreterversammlung, an der auch zwei Grüne teilgenommen haben, war die Reaktion bei den jungen Menschen auf das Thema “Stolpersteine” durchweg positiv und das Interesse auch an diesem furchtbaren, bedrückenden Teil Ilvesheimer Geschichte sehr hoch. 4. Im Leitbild 2.0 Ilvesheim 2020, das Bürgerinnen und Bürger erarbeitet haben, ist unter „Geschichte und Kultur“ vermerkt: „Es gibt zwar ein Denkmal (Anmerkung: Bei der Bücherei), aber es fehlt eine breitere Erinnerungskultur …Eine lebendige Erinnerungskultur hält das Gedenken an alle Opfer von Terror und Gewaltherrschaft fest. Sie dient nachfolgenden Generationen als Mahnung für Toleranz und Menschenwürde einzutreten.” Gerade Stolpersteine sind ein Projekt im Sinne der Zukunftswerkstätte, das die Erinnerung an die Vertreibung und Vernichtung der Opfer des Nationalsozialismus lebendig erhält. Den Opfern soll ausdrücklich nicht als anonyme Masse gedacht werden. Mit Blick auf die aktuelle Lage in Deutschland (siehe oben) sollen sie dazu beitragen, uns vor einer ähnlichen Entwicklung wie damals zu immunisieren. Sie sollen auch ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Gleichgültigkeit sein, die eine systematische Vertreibung erst möglich machte. Dies hat Herr Enzenauer im Oktober 2019 in seinem Vortrag zum Gedenken der vor 79 Jahren deportierten Juden deutlich aufgezeigt. Bei der Gedenkveranstaltung in der Schloss-Schule, auch eine Form der Erinnerungskultur, war keiner der 6 FWV Räte/-innen zu sehen! Uns in unserem Bestreben gegen Antisemitismus und im Zusammenhang mit den furchtbaren Geschehnissen der Nazidiktatur “Selbstdarstellung”, “fehlende Bürgernähe”, wir seien “schlechte Verlierer” zu unterstellen bzw. dies in den Raum zu stellen oder unseren Antrag als “Posse” zu bezeichnen, finden wir unglaublich. Es ging und geht uns einzig und allein um das “Nie wieder!” Welche Motivation die Fraktion der Freien Wähler zu ihrem Artikel bewegt hat, bleibt dahin gestellt. /Helga Zühl-Scheffer